Man traf sich in einem holzvertäfelten Raum in der Londoner Niederlassung des Bankhauses Rothschild. Zu Silvester stießen die Goldhändler nach getaner Arbeit mit einem Gläschen Sherry an: Seit dem Jahr 1919 legt ein kleiner Zirkel von Bankern in London zweimal täglich einen Referenzpreis für
Gold fest, der als Richtwert für Notenbanken, Investoren und Juweliere rund um den Globus dient. Bis vor elf Jahren kam man persönlich zusammen. Seither schalten sich die Herren über den Goldpreis per Telefonkonferenz zusammen. Doch jetzt legen sie den Hörer beiseite: Ab diesem Freitag wird das traditionsreiche, aber in Verruf geratene Preisfestsetzungsverfahren durch eine elektronische Handelsplattform ersetzt.
Nach diversen Manipulationsskandalen an den Finanzmärkten gilt der intransparente Telefonhandel als nicht mehr zeitgemäß. Die Bonner Finanzaufsichtsbehörde Bafin und die Londoner Aufsicht FCA hatten im Goldmarkt Untersuchungen eingeleitet. Im Mai 2014 musste die britische Großbank Barclays in Großbritannien eine Geldbuße von 26 Millionen Pfund bezahlen, weil ein Händler während des sogenannten „Fixings“ in London den Preis manipuliert hatte. Die Deutsche Bank hat sich wegen der wachsenden Zweifel an dem antiquierten Verfahren aus dem Gremium der Goldpreishändler zurückgezogen, ein Verkauf ihres „Sitzes“ scheiterte.
Das neue elektronische Preisfixing wird der amerikanische Börsenbetreiber ICE im Auftrag des Londoner Verbands der Goldbarrenhändler LBMA organisieren. Zum Start sollen sechs Banken die Software mit ihren Kauf- und Verkaufsaufträgen füttern. Auf deren Basis wird, wie bisher, zweimal täglich, um 10.30 Uhr und um 15 Uhr Londoner Zeit, ein Referenzpreis für das Edelmetall festgelegt. Die Preisfixings für Silber und Platin wurden bereits auf ähnliche Computerplattformen verlagert. Allerdings zeigt der Manipulationsskandal im Devisenmarkt, dass Händler auch bei elektronischen Systemen die Preise frisieren können.
Im Londoner Goldpreis-Gremium sind weiterhin die Société Générale, die Bank Nova Scotia, HSBC und Barclays vertreten. Hinzu kommen zwei neue Institute, deren Namen der ICE am Donnerstag noch nicht bekanntgeben wollte. Der Börsenbetreiber rechnet damit, dass die Zahl der Goldpreis-Banken wachsen wird: „Wir wollen eine breite Beteiligung, und es gibt viele Interessenten“, sagte der ICE-Manager Finbarr Hutcheson. Erwartet wird, dass auch Institute aus China dem Gremium beitreten. Chinesische Kunden waren 2014 die zweitgrößten Käufer von Goldbarren auf der Welt.